2025-07-05 Blogpost #044 Jassy & Felix

Sturm in der Karibik

Von Ebeltoft direkt nach Anholt, einer kleinen Insel im Kattegat und die am Weitesten vom nächsten Festland entfernteste Insel der Ostsee (ca. 54 sm). Für viele Segler ein Sehnsuchtsort, gilt Anholt als die Karibik der Ostsee.

Wir wollen es wissen und wagen heute unseren bisher längsten Schlag, direkt von Ebeltoft nach Anholt. Punkt 4.00 Uhr in der Früh verlassen wir den Hafen, um mit dem ersten Morgenlicht zu starten. Das Ablegen klappt problemlos, auch das Segelsetzen klappt gut. Wir binden zunächst das zweite Reff ein, da wir mit mehr Wind rechnen. Doch siehe da, erstmal ist es ein sehr zäher Start. Den Sonnenaufgang gucken wir uns noch an, dann wechseln wir aufs erste Reff. Schon fährt es sich besser! Die Welle ist kurz und steil vom gestrigen Sturm und nach einer kurzen Pause reffen wir komplett aus. Jill hat glücklicherweise das Ablegen verschlafen, will jetzt aber aktiv sein. Da nun aber doch langsam der versprochene Wind kommt, geht das bei der Schräglage schlecht. Sie kauert deshalb die meiste Zeit über auf der Salonbank und schläft oder guckt. Das Lieblingskuscheltier wird dabei eifrig geknetet. Ansonsten scheint ihr die schunkelige Fahrt aber zu gefallen. Ich finde sie streckenweise sehr unangenehm. Das Gute ist aber, dass wir flott vorankommen. Tatsächlich binden wir auch das 1. Reff wieder ein und fahren die meiste Zeit mit ca. 8 kn auf Anholt zu.
Als wir Greena in der Ferne passieren, kommen wir das erste Mal auf dieser Reise aufs offene Wasser, kein Land mehr ringsum in Sicht. Die Fahrt stabilisiert sich dadurch erheblich, auch weil der Abstand zwischen den Wellen größer wird. Wir sind sehr schnell und erreichen die neue Bestzeit mit 9.1 kn. So macht das Spaß! Bei Sonne, türkisem Wasser und gut in der Zeit rauschen wir dahin. Vor allem draußen im Cockpit, drinnen ist es weiterhin sehr ungemütlich. Wir müssen Dänemarks größten Offshore-Windpark umfahren, sehr beeindruckend. Dann taucht auch schon die Insel auf. Wir haben es geschafft! Für viele Ostseesegler sei das Erreichen der Insel laut unserem Törnführer der Ritterschlag.
Für uns neu ist hier das Anlegen im Hafen mit Heckboje. Dafür habe ich den Hook&Moore (eine Art Bootshaken) parat, der erleichtert das Durchfädeln der Leine durch den Bojenring. Wir nehmen sicherheitshalber einen Platz wo ringsum noch keiner liegt. Das Durchfädeln klappt zwar gut, es hapert dann aber daran die Leine schnell wieder abzubekommen und an Felix weiterzureichen. Zudem haben wir starken Seitenwind. Da wir beide mit der Heckleine zu schaffen haben, vertreiben wir leider und liegen parallel zum Steg. Fast stoßen wir dann längs mit dem Anker an ein anderes Boot, aber Felix hat die Leine kurz genug und es passiert nichts. Ein Segler am Steg hilft uns, die Vorleinen anzunehmen und wir sind erstmal fest. Puh! Jetzt sind wir aber auch echt durch von der langen Fahrt. Schade, dass die manchmal komplizierten Anlegemanöver immer am Schluss kommen, wenn man eh schon erledigt ist 😉
Nach einer Pause und Stärkung schauen wir uns um. Es ist super schön gelegen, gleich hinter dem Steg geht es zum Strand. Und was für ein Strand. Ganz feiner weißer Sand, Dünen und türkises Wasser. Traumhaft! Am Hafen selbst gibt es einen Laden, Restaurants, Bars, Fahrradverleih, Waschsalon u.v.m. Auch ein schöner Grillplatz ist dort. Wir beschließen, uns noch ein wenig zu bewegen und den Strand entlang zu laufen. Das tat nach der langen Fahrt richtig gut. Hier haben wir nun auch das erste Mal so richtig das Gefühl, weit weg von Zuhause zu sein. Am nächsten Morgen gehen wir gleich an den Strand und baden nun endlich richtig an! Passend zum heutigen Mitsommer fällt das bei so klarem, sauberen Wasser nicht schwer. Auch Jill hält ihre Füßchen tapfer ins Türkis. Ein Bonus ist die Süßwasserdusche nebenan, sogleich ist man entsalzt und entsandet.
Mittags brechen wir zu einer Inselrundfahrt auf. Auf den Tipp unserer Bootsnachbarn hin, haben wir uns dafür ein Golfcar gemietet, das max. 25km/h fahren kann. Auf der Insel gibt es nur 5 km geteerte Straße, deshalb gibt es eine Karte, worauf die zu befahrenen Wege markiert sind. Jill ist anfangs auf meinem Schoß, schläft durch das Gerüttel aber bald ein, was es ungünstig macht, an schönen Spots auszusteigen. Deshalb schnallen wir sie dann doch in die Autoschale, die wiederum auf der Gepäckablage festgezurrt wird. Sie schlief selig weiter, und wir hatten unseren Spaß. Win-win. Durch die Tour haben wir einige tolle Ecken der Insel gesehen und uns überlegt, wo wir gern noch hin wandern würden in den nächsten Tagen. Nach einem Einkaufsstopp gaben wir den Wagen wieder ab und gingen nochmal baden. Am Abend haben wir uns mit unseren Bootsnachbarn zum Grillen getroffen. Auf Anholt stehen dafür mehrere Gasgrills inkl. Gas  sowie viele große Tische zur Verfügung. Nach dem Grillen kamen wir auch mit einer norwegischen Familie ins Gespräch, die ebenfalls ein einjähriges Kind, ein Geschwisterchen sowie einen Hund mit dabei hatten und auch froh zu sein schienen, andere Verrückte mit Baby zu sehen. Sie gaben uns noch ein paar Tipps für schwedische Häfen und wir kamen während des Aufenthalts immer mal wieder ins Gespräch. Am nächsten Tag war wieder Sturm und etwas Regen angesagt. Wir wollten uns am Nachmittag jedoch trotzdem auf einen Spaziergang wagen und machten eine Wanderung zum Sønderbjerg (42 m ü. NHN) Dabei sammelte ich in den Wiesen 5 Zecken auf! Zum Glück habe ich sie gleich entdeckt und abgewischt. Auch Fliegen haben ihren Gefallen an uns gefunden und folgten uns bis zum Berg. Fuchtelnd meisterten wir den Aufstieg und kamen völlig verschwitzt oben an. Die Aussicht jedoch war super! Gerade die grauen Wolken vor dem türkisen Wasser haben eine besondere Stimmung heraufbeschworen. Aber da das ganze auch ziemlich nach Regen aussah, verweilten wir nur kurz. Auf den Dünen, bewachsen mit Heide und Strandhafer, ging es wieder Richtung Hafen. Die letzten Meter legten wir bei Nieselregen am Strand zurück. Wir fühlten uns derart eklig, dass wir die Gelegenheit nutzten, gleich nochmal ins Meer zu stürzen und zu duschen. Nass waren wir ja sowieso schon. Da heute auch unser Hochzeitstag war, hatten wir eigentlich vorgehabt, am Hafen essen zu gehen und die empfohlenen Jungfrauenhummer zu probieren. Aber bei dem mittlerweile eingesetzten Regen war an draußen sitzen (drinnen gab es keine Möglichkeit) nicht zu denken. Kurzerhand bestellten wir das Essen zum Mitnehmen und machten es uns im Cockpit zum prasselnden Regen gemütlich. Dabei stellten wir fest, dass es so dem Anlass entsprechend eigentlich viel passender ist. Schließlich haben wir die letzten Jahre an diesem Boot gearbeitet, um Momente wie diese auf Mü zu erleben. Und dieser Tagesausklang war wirklich schön – und lecker!
Der Montag gestaltete sich weiterhin wechselhaft. Wir nutzten die Gelegenheit, Wäsche zu waschen und vieles zu erledigen. Zudem mussten wir das Boot besser sichern, da das nun kommende Tief Sturmböen bis 50 kn bringen sollte. Insgesamt war das Wetter während unserem Aufenthalt das Thema am Steg. Bei denen, die nicht zuvor bereits geflohen waren setzte nun ein geschäftiges Treiben an den Booten ein. Eine gewisse Nervosität vor der kommenden Nacht lag in der Luft. Mit der Zeit steigerte sich die Intensität des Windes und das Pfeifen, Jaulen, Klappern und Ächzen nahm zu. Ich war froh, dass es so lange hell war, das war irgendwie beruhigend. Aber alles hielt stand und am nächsten Tag sah alles genauso aus wie zuvor. Für uns stand heute ein langer Marsch auf dem Programm: Einmal zum Leuchtturm und zurück, 20 km durch Nordeuropas größte Wüste (für mich sah es einfach aus wie Dünenlandschaft). Die Inselbewohner hatten damals die Bäume gefällt, um das Holz zum Befeuern des Leuchtturms zu nutzen. Dadurch ist nach und nach alles versandet. Der Weg führte durch die Wüstenlandschaft und war gut zu erkennen. Durch die kleinen Pflanzen darauf konnte man auch relativ zügig gehen und musste nicht durch richtigen Sand stapfen. Trotz allem zog es sich gegen Ende dann doch in die Länge. Eine entgegenkommende Passantin gab uns den Hinweis, dass die Besteigung des Leuchtturms nur noch bis 14.00 Uhr möglich sei. Jetzt war es 13.20 Uhr. Wir mussten uns echt beeilen, wenn wir es noch schaffen wollten. Zu allem Überfluss hatte Jill nun auch keine Geduld mehr und weinte die restlichen Meter. Völlig fertig kamen wir am Turm an, wo die Freiwilligen schon am Zusammenpacken waren. Aber wir konnten netterweise noch nach oben, wo uns eine ältere Dame begrüßte, die sich sogar noch die Zeit nahm und uns ein paar Infos zum Leuchtturm gab. Als sie die Tür nach draußen öffnete, blies es uns fast um. Die letzten Ausläufer des Sturms waren hier noch deutlicher zu spüren. Schnell auf die windabgewandte Seite. Ein toller Blick bot sich auf das tosende Meer und die Landzunge mit den Robben. Was ein Glück, dass wir es noch rechtzeitig geschafft hatten! Netterweise durften wir unten noch kurz Jill füttern und wickeln, draußen gab es nämlich so gut wie keinen Windschutz bis auf eine kleine Holzhütte. Dort war dann auch ein Fernrohr aufgebaut, mit dem man die Robben super beobachten konnte. Nach einer kurzen Rast mussten wir dann aber auch den Rückzug antreten. Diesmal gegen den Wind, der erbarmungslos direkt von vorn kam. Meine Laune war am Tiefpunkt, es waren schließlich noch 10km zurück! Aber die einzige Möglichkeit zurück war per Pedes, also mussten wir da durch. Die Aussicht auf ein Eis am Hafen ließ uns auch die letzten Meter irgendwie bewältigen, aber mittlerweile taten uns schon die Füße weh. Am Ziel hatten wir dann leider Pech: Die Eisdiele hatte entgegen der Öffnungszeiten geschlossen. Aber Energie zum Aufregen war keine mehr da, dann eben nicht. Nach einer kurzen Pause und Essen für Jill sprangen wir zur Belohnung aber noch ins kühle Nass. Herrlich!
Unser letzter Inseltag bestand aus Erholung, Schiff klar machen, Strand und Baden, Eisessen und einer unschönen Begegnung. Wir hatten bereits einige spannende und misslungene Anlegemanöver hier beobachtet (die Heckboje, gerade bei Starkwind, ist scheinbar nicht nur für uns eine Herausforderung und für viele neu). An diesem Nachmittag aber kam ein Pärchen mit ihrem Boot neben uns gar nicht zurecht. Als Felix das andere Boot kommen sah, drückte er mir nur schnell Jill in die Hand und sprang auf den Steg, um zu helfen. Die beiden Segler trieben mehr oder weniger hilflos im Hafen, bekamen die Boje nicht und als sie sie hatten, kamen sie nicht nah genug an den Steg. Zu allem Überfluss hatten sie allerhand Leinen von missglückten Wurfversuchen im Wasser, die sich in der Schraube verfangen konnten. Mittlerweile waren auf allen umliegenden Booten nervöse Eigner aufgetaucht, konnten aber wenig tun. Nachdem die beiden fast in unser Boot gekracht waren, rief Felix den beiden vom Steg nun genau zu was sie machen sollten. Auf Felix Anweisung fuhren sie nun erst mal mit dem Bug zum Steg und übergaben die Vorleinen, anschließend zog er die beiden so, dass sie eine Heckboje nachträglich erreichen konnten. Jetzt waren sie fest und wir hatten letztlich Glück, dass ihr Anker nur unser Relingsnetz am Heckkorb streifte und sonst auch kein weiteres Boot touchiert wurde. Aber es war haarscharf. Mir saß der Schreck lange in den Knochen. Es ist eine seltsame Mischung aus Mitleid, Neugier, Hilflosigkeit und Bangen ums eigene Boot, die mich beim Zuschauen erfasste (Felix war ja zum Helfen am Steg und ich hatte Jill auf dem Arm und saß im Cockpit). Man hofft unwillkürlich, dass man selbst nicht auch in so eine Situation kommt oder es bei einem besser klappt. Leider lässt sich vom Steg aus auch nur begrenzt helfen, solange keine Leine herübergeworfen wird. 
Am Steg war man sich hinter vorgehaltener Hand einig, dass es unverantwortlich ist als Anfänger bei dem Wetter zu fahren zumal mit einem solchen Charterboot (Bavaria 34). Die Ausstattung des Bootes seitens der Vercharterer war wirklich grenzwertig, denn die Festmacherleinen waren viel zu dünn und bereits ziemlich mitgenommen.
Dieses Erlebnis war nochmal ein eindrücklicher Beleg dafür, sich vor dem Anlaufen eines Hafens gut mit den Wetterbedingungen und Hafenführern auseinanderzusetzen, um zumindest grob zu wissen, auf welche Voraussetzungen man vor Ort wahrscheinlich treffen wird und sich somit bestmöglich vorbereiten kann. Der Rest ist dann Geschick, Kommunikation, Übung und auch eine Portion Glück (z.b. wenn jemand am Steg ist, um zu helfen). Morgen wollen wir weiter nach Laesø und sind auch schon ein wenig gespannt, wie es uns im neuen Hafen ergehen wird. 

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