2024-02-10 Blogpost #010 Felix

Der Diesel fliegt raus

Nahezu alle Boot sind heutzutage mit einem Dieselmotor ausgerüstet, dabei sind gerade Segelboote prädestiniert für Elektroantriebe. Hier erzählen wir euch über die Gründe unserer Umrüstung, sowie den Ausbau des Dieselmotors und wie wir den Motorraum für den neuen Elektroantrieb vorbereitet haben.

Ein Refitboot bringt in der Regel auch eine ältere Maschine mit sich. Früher oder später stellt sich also die Frage, ob man den alten Motor Instand setzt oder einen neuen Motor anschafft. Mit der bestehenden Maschine einfach loszufahren ist eigentlich keine echte Option, da man sich im Zweifel nicht auf die Maschine verlassen kann. Speziell auf Youtube sieht man, wie sich Langfahrtsegler um die Welt reparieren und oft an entlegenen Orten unter suboptimalen Bedingungen den Dieselmotor austauschen.
Die Anforderungen an unseren Motor sind im Grunde simpel, er soll uns in und aus dem Hafen schieben und ansonsten nur gelegentlich auf kurzen Abschnitten wie Mündungen unterstützen. Dabei soll der Motor absolut verlässlich sein und möglichst wenig Wartungsaufwand mit sich bringen. Idealerweise sind die Betriebskosten zusätzlich gering. All das leisten moderne Elektromotoren. Tatsächlich erleichtern sie durch das sofort zur Verfügung stehende Drehmoment das Manövrieren. Das Elektromotoren zusätzlich keinen Lärm verursachen, nicht stinken und auch das Hantieren mit stinkenden Flüssigkeiten überflüssig machen sind weitere Vorteile, die nicht unerwähnt bleiben sollen.
Spätestens an dieser Stelle werfen Dieselverfechter Fragen ein und sagen, das Elektromotoren aufgrund der geringen Reichweiten unsicher seien, denn was machen wir, wenn wir mal ein paar Stunden im Sturm gegenan motoren müssen?
Erstens sind die Segel unser Hauptantrieb und zweitens bringt gute Seemannschaft mit sich, sich mit den zu erwartenden Bedingungen auseinanderzusetzen und sich nicht in Situationen zu bringen, die mit den gegebenen Eigenschaften des Bootes nicht zu meistern sind. Im Übrigen fallen Dieselmotoren in der Regel dann aus, wenn man sie braucht, sei es durch Dieselpest, verstopfte Filter oder abgerissene Schläuche oder kaputte Impeller, insofern sind die einzigen Argumente, dass die Anfangsinvestition bei Elektromotoren insbesondere aufgrund der Antriebsakkus größer ist und es natürlich bequemer ist, die vorhandene Dieselinfrastruktur zu behalten.

In unserem Boot war ein einkreis gekühlter Volvo Penta 18 PS Dieselmotor mit Saildrive eingebaut. Bevor wir diesen ausbauten, wollten wir den Ersatz dafür ausgesucht haben. Als wir uns 2021 mit diesem Thema befassten, war der Markt noch deutlich kleiner als jetzt, 3 Jahre später. Im Grunde gab es in Europa Systeme von Volvo Penta, Torqueedo und Kräutler. Alle anderen Hersteller waren noch nicht so weit oder waren in Europa schwer zu bekommen. Das beste Angebot kam in unserem Fall von Kräutler, die seit über 40 Jahren Elektroantriebe für Schiffe bauen und ihren Sitz in Österreich haben. Neben den Elektromotoren fertigen Sie auch die zugehörigen Getriebe, da das Zusammenspiel essentiel für eine hohe Effizienz ist. Für unsere Comfortina berechneten die Experten, dass wir mit einem 6,0 kW Antrieb gut ausgerüstet sein würden. Und so bestellten wir über einen Händler bei Lübeck Motor und Saildrive SDKS 6,0 bei Kräutler und ließen uns auch die zugehörige Schiffsschraube berechnen. Die alte Schraube sollte nicht weiterverwendet werden weil die Steigung der Propeller nicht zum Antriebsprofil passt. An dieser Stelle muss auch entschieden werden, ob man auf Rekuperation setzt. Dabei wird beim Segeln Strom durch das Mitdrehen des Propellers erzeugt. Klingt toll, funktioniert allerdings erst ab Geschwindigkeiten über 6 kn mit nennenswerten Erträgen und reduziert natürlich auch die Segelgeschwindigkeit. Unser Boot sollte in erster Linie ein Segelboot sein, daher entschieden wir uns für einen Faltpropeller, der sich während der Fahrt unter Segeln zusammenklappt und somit kaum Strömungswiderstand im Wasser erzeugt.
Den neuen Motor holten wir einfach mit dem Kombi bei Lübeck ab, denn im Gegensatz zu Dieselmotoren kann man alle Komponenten einfach hochheben und tragen. Kleiner Fun-Fact am Rande: Der in dem Moment komplett nutzlose Teil unseres Antriebspuzzels im Kofferraum war mehr Wert, als das Auto, mit dem wir den Antrieb abgeholt haben.
Über ein anderes großes Puzzelstück des Antriebs, das Elektrikkonzept und die entsprechenden Akkubänke werden wir zu gegebener Zeit in einem extra Blogpost berichten.

Wie bekommt man nun so ein altes, schmieriges, über 100 kg wiegendes, unhandliches Stück Metall aus dem Boot?
Zunächst fragten wir bei der örtlichen Dieselmotorenwerkstatt an, ob sie den Ausbau übernehmen könnten und ggf. auch Interesse an dem (noch funktionierenden) Motor hätten. Obwohl wir sogar dafür bezahlt hätten, erteilte man uns eine recht unfreundliche Absage. Gut, dass wir mit den Jungs nichts mehr zu tun haben müssen! Auf Ebay fand sich hingegen schnell jemand mit Interesse an unserem Motor. Unser Interessent würde seinen eigenen Kran mitbringen, den Motor ausbauen, mitnehmen und uns sogar noch einen kleinen Betrag dafür bezahlen. Perfekt. In Summe konnten wir durch den Verkauf von Motor, Saildrive, altem Propeller und sonstigen zugehörigen Teilen knapp 1000 € einnehmen und für den neuen Antrieb verwenden.

Am vereinbarten Ausbautag machten wir zunächst die Plane am Boot etwas zurück und unser Käufer, ein Volvo Penta Enthusiast aus Holland, machte sich direkt am Motor zu schaffen. Kurz darauf hing der Motor auch schon am Kran und schwebte langsam aus dem Boot. Beim Ausbau des Saildrives zeigte sich, dass unsere Entscheidung, den Motor rauszuschmeißen, absolut richtig war, denn die Verbindungswelle zwischen Saildrive und Motor war bereits stark verschlissen und wäre früher oder später ausgefallen. Zum Dank für die Hilfe schenkten wir unserem Helfer alle Volvo Instrumente und weiteren Dieselbauteile, die wir nicht mehr brauchten, er aber weiter verwenden oder instandsetzen konnte.

Jetzt hatten wir ein gigantisches Loch im Rumpf, wo früher der Saildrive saß. Nachdem wir das Boot wieder abgeplant hatten, fingen wir an, den Motorraum weiter aufzuräumen. Alle verbliebenen alten Schläuche und Kabel wurden ausgebaut und die Oberflächen gut gereinigt. Auch die alte, schwere, stinkende Motorraumauskleidung musste raus. Das stellte sich wie so oft am Boot als schwerer heraus als gedacht. Der Kleber lies sich weder durch Aceton, Isopropanol noch WD40 oder andere Tricks entfernen. Am Ende nutzten wir unser Multitool mit Spachtelklinge und Ziehklingen, um die Holzflächen weitestgehend zu reinigen. Zum Schluss versuchten wir unser Glück mit dem Excenterschleifer auf Vollgas und 40er Schleifgittern mit mäßigem Erfolg. Die Holzteile zur Achterkammer wurden komplett ersetzt, dabei wurde die Achterkammer minimal verkleinert um mehr Platz für die Akkus zu schaffen. Für die Akkus bauten wir ein neues Fundament. Dazu verleimten wir einige Holzbretter, die an die Rumpfform in diesem Bereich angepasst waren, mit Epoxy. Diesen Holzkern verklebten wir anschließend fest mit dem Rumpf und laminierten die Fundamente ein. Auf dem Fundament wird später eine Platte fixiert, auf die auch die Akkus festgezurrt werden.
Alle übrigen festverbauten Holzeinbauten waren strukturell in gutem Zustand. Um später alle Elektrik einfacher verschrauben zu können und eine bessere Oberfläche zu erhalten, klebten wir neue Bretter mit angedicktem Epoxy auf die hässlichen Bretter, die schwer zu reinigen waren. Platz war im Grunde genügend vorhanden, da ja zuvor ein dicker, schwerer Isolierschaum angebracht worden war. Alle festverbauten Bretter wurden zudem allseits mit Epoxy getränkt, um auch langfristig gegen Feuchtigkeit geschützt zu sein. Nachdem auch die GFK-Bauteile des Motorraums angeschliffen waren, musste noch das Motorfundament angepasst werden. Die alten GFK-Fundamente des Motorblocks werden zukünftig nicht mehr benötigt und werden so gut es geht mit dem Multitool herausgeschnitten. Im Inneren fand sich das gleiche Material, das auch als Kern im Sandwichdeck dient. Auch hier zeigt sich dieses Material als überaus fest und wasserabweisend. Ich vermute, dass der einzige Nachteil dieses Materials das Gewicht und die Kosten sind, weshalb es im klassischen Serienbootsbau nicht zum Einsatz kommt. Die offenen Stellen wurden mit Epoxy gespachtelt und erhielten einen Glasfaserüberzug. Wie wir den an dieser Stelle entstandenen Platz nutzen werden, ist noch nicht klar. Gegebenenfalls bauen wir irgendwann den Niedergang so um, dass an dieser Stelle eine Tiefkühlkompressorbox seinen Platz finden wird oder wir upgraden unsere 12V Batteriebänke, mal sehen.
Im Inneren des Saildrivelochs fanden sich seltsame, delaminierte Glasfaserschichten und 4 Schrauben ohne erkennbaren Nutzen. Da der Saildrive seit Erstwasserung nie ausgebaut wurde, muss das noch von der Werft stammen. Wir entfernten alles lose Material, ließen die Schrauben aber an Ort und Stelle und schliffen alle Oberflächen gründlich ab. Nach einer weiteren sorgfältigen Inspektion ohne weitere Auffälligkeiten beschlossen wir, den ganzen Bereich wie auch den gesamten Motorraum mit mehreren Schichten Epifanes HB Coat zum Schutz zu überziehen. Der Motorraum erscheint nun in wunderschönem grau.
Zu guter Letzt schlossen wir das Loch mit dem neuen Saildrive, der praktischerweise mit einer passenden, soliden Aluminiumadapterplatte geliefert wurde. Bis die Elektrik eingebaut werden konnte, gab es noch ein paar andere Baustellen zu bearbeiten. Davon mehr in den nächsten Blogposts.

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