2024-04-06 Blogpost #014 Felix

Über's Lackieren

Im Zuge unseres Rebuilts haben wir viele unerschiedliche Bereiche bei unterschiedlichen Bedingungen und mit unterschiedlichen Lacksystemen bearbeitet. Das lief nicht immer wie geplant und war oft frustrierend. Was es speziell zu beachten gibt, welche Fehler uns dabei passiert sind und was wir daraus gelernt haben, möchten wir in diesem Blogpost zusammenfassen.

Am Anfang stellt sich grundlegend die Frage, was das Ziel einer Oberflächenbehandlung ist. In der Regel werden Oberflächen aus optischen Gründen lackiert, allerdings erfüllt das komplette Beschichtungssystem ggf. auch noch weitere wichtige Aufgaben. Insbesondere an Deck dient der Lack auch dem UV-Schutz der darunterliegenden Epoxybeschichtung bzw. des Laminats. Zusätzlich ist die glatte Fläche natürlich auch leichter zu reinigen und je nach Lack auch Kratzerresistent. Im Bereich der Laufflächen wird mit Zusätzen gearbeitet um eine rutschfeste Oberfläche zu schaffen. Unter Deck gibt es andere Anforderungen an den Lack, z.B. soll hier eher das Holz geschützt werden. Jenachdem welches Ziel verfolgt wird, wählt man ein entsprechendes Beschichtungssystem aus.
In unserem Fall wurde der komplette Innenbereich des Boots und das Deck lackiert.
Im Innenbereich wählten wir dafür ein 1-K Lacksystem von Epifanes (Monourethane) für alle sichtbaren Bereiche, eine 2-K Dickschicht-Epoxygrundierung (Epifanes) für den Motorraum und einen Bilgenlack (Epifanes) für die Staufächer und die Bilgen. Zu jedem Lack und für jeden Untergrund gibt es zusätzlich einen passenden Primer. Für Einkomponentige Lacke auf Holz und GFK haben wir Multi Marine Primer von Epifanes verwendet. Einkomponentig bzw. 1-K bedeutet im Übrigen, dass für die Farbe kein zusätzlicher Härter oder ähnliches benötigt wird, und der Lack durch Verdunstung des Lösemittels aushärtet. Ein 1-K Lack wird nicht die gleiche Oberflächenhärte erreichen wie ein 2-K Lack und muss dünn aufgetragen werden und vor jeder weiteren Schicht ausreichend aushärten. Dafür ist der Auftrag relativ einfach und die Farbe hinsichtlich ihrer Umgebungsbedingungen während des Auftrags weniger anspruchsvoll. Insbesondere auf Holz ist ein weiterer Vorteil, dass die Farbe elastischer bleibt als 2-K Lack und nicht sofort abplatzt, wenn das Holz etwas atmet. Typischerweise werden 1-2 Schichten Primer und 2-6 Schichten Lack je nach Anwendungsfall empfohlen. Zwischen jeder Schicht wird zu einem Zwischenschliff geraten, wobei man hier abwägen muss inwiefern das überhaupt sinnvoll ist.

Im Außenbereich haben wir ein 2-K Lacksystem verwendet, bestehend aus Polyurethane Primer (Epifanes), Epoxy Filler 1500 (Epifanes) und Polyurethane (Epifanes). Es ist wichtig sich innerhalb eines Systems zu bewegen um Unverträglichkeiten verschiedene Produkte untereinander zu vermeiden. Auch sollte man keine 2-K System auf 1-K Lacken oder Grundierungen nutzen, da die enthaltenen Lösungsmittel die unteren Schichten angreifen können und entsprechend schnell wieder abplatzen oder andere Lackierfehler auftreten. Bei Zweikomponentigen Farben muss zunächst ein Härter zum Lack in einem speziellen Mischverhältnis gegeben werden. Nach dem Verrühren muss vor der Verarbeitung eine Induktionszeit abgewartet werden, in der beide Komponenten chemisch miteinander reagieren. Der Auftrag erfolgt im Grunde ähnlich zu 1-K Lacken allerdings sind die Umgebungsbedingungen genauer zu beachten. Typischerweise finden sich die Voraussetzungen an den Untergrund und die Umgebungsbedingungen auf den Farbdosen, alternativ findet man im Internet hilfreiche Verarbeitungshinweise in PDF-Form. Ein entscheidender Unterschied beim Aufbau der Schichten ist, dass bei zweikomponentigen Lacken oft „Nass-in-Nass“ gearbeitet werden kann. Dabei wird eine weitere Schicht ohne Zwischenschliff aufgetragen, während die erste Schicht noch nicht komplett ausgehärtet ist. So können sich die Schichten nicht nur mechanisch sondern auch chemisch miteinander verbinden und selbstverständlich spart es auch enorm viel Zeit und Arbeit.  Die letzte Lackschicht sollte allerdings immer nach einem Zwischenschliff aufgebracht werden, um Lackierfehler zu reduzieren.

Es gibt zahlreiche verschiedene Lackierfehler mit verschiedenen Ursachen. Eine Hauptursache liegt in der Vorbereitung, die im Grunde auch die meiste Arbeit beim Lackieren darstellt. Die Oberfläche muss glatt und tragfähig sein, das heißt insbesondere fest, und angeschliffen. Zusätzlich muss der Untergrund trocken und frei von Fetten, Ölen und Silikon sein. Das zu erreichen ist oft nur mit viel Schleifen, Spachteln, Schleifen und Reinigung z.B. mit Aceton zu erreichen. Nach dem ersten Farbauftrag ist Nacharbeit nur sehr aufwändig möglich, weshalb die abschließende Reinigung sehr akribisch erfolgen muss. Unzureichende Vorbereitung was die Reinigung des Untergrunds angeht erkennt man unter Anderem an sogenannten Fischaugen (kreisförmige Schleier), Einschlüssen von Partikeln, sich kräuselnder und abplatzender Lackschichten oder auch vergilben der Farbe durch vom untergrund durchdringende Epoxy Wachse. Pinholes oder durchscheinende Laminatstruktur sind eine Folge von Spachtelfehlern, die oft erst nach der ersten Primerschicht sichtbar werden. Generell wird durch eine Lackschicht die Untergrundstruktur 100x sichtbarer und offenbart schonungslos jeden Schleiffehler.
Neben den Fehlern durch unzureichende Vorbereitung spielt wie bereits erwähnt auch die Umgebung eine große Rolle. Insbesondere die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit müssen beachtet werden. Wichtig ist auch das die Umgebungsbedingungen sowohl während dem Auftrag, als auch der Trockung, möglichst nicht schwanken. Typische Fehler die durch Temperaturschwankungen auftreten sind Orangenhaut oder sich zusammenkräuselnde Farbe. Dabei kann schon eine kurzfristige Schwankung um 5°C das Lackierergebnis ruinieren. Ein weiterer Aspekt ist Staub. Im Internet kursieren dann tolle Tipps, wie Lackierkabinen zu nutzen, eine Schleuse einzurichten und so weiter. Fachbetriebe haben sowas tatsächlich, aber das ist auch der Grund warum eine Decks und Rumpflackierung für ein 10 m Boot >15.000 € kostet. An dieser Stelle muss man sich fragen was das Ziel der Lackierung ist. Ohne Frage ist eine perfekte Lackierung toll aber, in der Regel geht es hier hauptsächlich um optische Fehler. Wir haben unter einer Plane im Freien lackiert und gute Wetterbedingungen abgewartet. Dazu haben wir ordentlich gesaugt und vor der ersten Lackschicht alles Nass gereinigt und zwischen den Schichten mit Staubbindetüchern gearbeitet. Alle Einschlüsse lassen sich dadurch nicht vermeiden, aber mit einem Zwischenschliff vor der letzten Lackschicht kann man viele kleine Staubeinschlüsse entfernen, sodass sich die Fehler aus den Schichten zumindest nicht aufaddieren.
Dann gibt es noch Fehler die vom Material selbst kommen. Angefangen bei der Farbe, ist es unerlässlich diese richtig zu lagern und vor der Verarbeitung gut aufzurühren. Fehler sind in diesem Fahl dann Probleme mit der Deckkraft bzw. schwankende Schichtstärken. Letztere können auch durch falsche Pinsel oder Rollen verursacht sein. Mit am ärgerlichsten sind allerdings haarende Pinsel und sich auflösende Schaumstoffrollen.
Ein weiterer Aspekt der nicht zu unterschätzen ist, ist das Abkleben. Schlechtes Klebeband lässt sich ggf. nicht Rückstandslos entfernen oder klebt zu doll an bereits lackierten Flächen und löst diese beim abziehen wieder ab. Auch an den Rändern muss man aufpassen, dass bei zu großer Schichtdicke nicht Lackstücke am Rand ausbrechen.
Um Fehler auszugleichen hilft meist nur schleifen und neu lackieren bzw. spachteln und neu lackieren. Das Hauptproblem ist einfach der enorme Arbeits- und Zeitaufwand der mit dem Lackieren einhergeht, da immer die Trocknungszeiten und Umgebungsbedingungen beachtet werden müssen. In der Regel kann man auch keine Nebenbaustelle aufmachen, da dies wieder neuen Staubeintrag produziert.

Generell ist Lackieren eine echte Materialschlacht und alles andere als Umweltfreundlich. Andererseits ist die Überholung einer gebrauchten Yacht sicherlich immernoch umweltfreundlicher als ein Neubau, inbesondere in Betracht der sinkenden Lebensdauer modernerer Yachten. Bei dem genannten Arbeitsaufwand ist es nicht wirtschaftlich Pinsel oder Rollen unnötig lange oder zu reinigen und wiederzuverwenden. Dementsprechend benötigt man neben den Lacken, Primern und Spachtelmassen unzählige Pinsel und Rollen. Farbwannen kann man manchmal auch wiederverwenden indem man sie eintütet, was allerdings den Farbbedarf erhöht, da man die Farbe nicht mehr so leicht mit der Rolle aufnehmen kann. Weiter benötigt man viele Meter Abklebeband, da man dieses idealerweise nach jeder Schicht noch vor dem kompletten Trocknen abzieht. Nicht vergessen sollte man die PSA – Persönliche Schutzausrüstung in Form von Filtermasken, Handschuhen, Schutzbrillen und ggf. Schutzanzügen und Überziehern. Ansonsten benötigt man noch einige Rührstäbe, ggf. Mischbecher Küchenrolle, eine Waage und eine gute Beleuchtung.
Alles in Allem sind aber selbst qualitativ hochwerte Arbeitsmaterialien erschwinglich verglichen mit einer Beauftragung beim Profi und mit etwas Fleiß und Geduld lassen sich gute Ergebnisse erzielen. Ich kann aber auch ganz klar sagen, dass wir mittelfristig genug vom Lackieren haben. Zum Ende jedes größern lackierten Bereichs tendierte meine Einstellung dazu, dass es reicht wenn das Boot am Ankerplatz, also mit etwas Abstand gut aussieht.
Bislang sind wird mit unseren Lackierergebnissen (teilweise nach Neulackierung) sehr zufrieden. Wie sich unsere Lackierung in den nächsten Jahren schlägt werdet ihr im Blog erfahren, zumindest wenn wir einige Bereiche frühzeitig überholen müssen.

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